Liebe ist... sich mit Freude gesund zu ernähren
Gesunde Ernährung nach den Prinzipien des Yoga
Während ich mich setze, um den mit Gemüse gefüllten Khichdi (ein gut verdaulicher Brei aus Reis und Linsen) zu essen, den ich gerade zubereitet habe, beobachte ich – zufrieden seufzend – den Dampf, der von meinem Teller aufsteigt. Es ist ein kalter Novembertag, ich sitze vor meiner mit Brei gefüllten Schale und fühle die Wärme des Essens, wie sie sich in meinem Körper ausbreitet. Normalerweise schlinge ich das Essen regelrecht herunter, wenn ich so hungrig bin wie heute. Aber diesmal ist es anders. Ein Gefühl der Fülle erfasst mich beim bloßen Anblick der Farben und dem verführerischen Duft. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, als ich das Ghee (geklärte Butter) beobachte, wie es langsam auf dem heißen Essen verläuft. In diesem Augenblick wünschte ich, jeder würde Khichdi so lieben wie ich und ihn nicht mit etwas in Verbindung bringen, das wir essen, wenn wir krank und schwach sind.
Khichdi ist in punkto herzhaftes Essen mein Favorit. Ich glaube fest daran, dass es die Zutat der Liebe ist, die ihn so schmackhaft macht.
Die Kunst, Essen zu lieben und Essen mit Liebe zuzubereiten, ist für mich das „Yoga gesunder Ernährung“. Ganz wichtig ist für mich auch die bewusste Anwendung der universellen Leitlinien des Yoga (Yoga Yamas nach Patanjali), wenn es ums Kochen und gesunde Ernährung geht.
Im rasanten Tempo des 21. Jahrhunderts scheint das „Yoga gesunder Ernährung“ ins Hintertreffen zu geraten, wenn ich bedenke, wie sehr wir uns schon an den „Snack unterwegs“, das Fertiggericht für die Mikrowelle und das Essen, während wir am iPhone sitzen, gewöhnt haben. So gehören die Tage, an denen wir mit der Familie am Tisch saßen, ein Gebet aufsagten und uns Zeit zum Kauen nahmen, der Vergangenheit an. Sehen wir jedoch über den Tellerrand hinweg in andere Kulturen hinein, so merken wir, dass zusammenzusitzen und gemeinsam zu essen wie ein roter Faden durch alle Kulturen geht, ein Faden, der das Sozialgefüge einer Gesellschaft zusammenhält.
In Ashrams, Kirchen, Tempeln, Moscheen und Synagogen wird dieses Konzept des gemeinsamen Essens gelebt. Die Frage ist also, wie schaffen wir es, diesen Wert wieder in unser geschäftiges Alltagsleben zu integrieren? Der US-Künstlerin und Verfechterin gesunder Ernährung, Johanna Baig, zufolge, „sind es Phänomene wie das Internet, Facebook und Twitter, die uns immer mehr isolieren. Außerdem scheint jeder nurmehr mit seinem iPhone beschäftigt zu sein. Das Miteinander verschwindet, man verliert den Bezug zueinander... Damit verarmt auch die Kultur. Wir müssen uns wieder mehr mit der Familie und Freunden zusammensetzen und auch Zusammenkünfte organisieren, bei denen es um Themen wie Ernährung und Essenskultur in anderen Ländern geht. Auf diese Weise lernen wir über das Essen verschiedene Kulturen kennen und verbinden uns so miteinander.“
Mittels der Yoga Yamas oder der universellen Prinzipien des Yoga können wir lernen, was es bedeutet, mit sich selbst in Kontakt zu treten, auf die Bedürfnisse des Körpers zu hören und damit auch wieder mehr Gemeinschaft zu praktizieren. Gesunde Ernährung als Liebe zu sich selbst.
Das Yogaprinzip der Gewaltlosigkeit
Swami Maya (Maya Tiwari), ein bekannter Autor des Ayurveda, definiert das Yogaprinzip der Gewaltlosigkeit (Ahimsa) als ein „Mittel, die Natur zu schützen, indem man eine gesunde Ernährung lebt.“ Außerdem stärkt ein Leben der Gewaltlosigkeit die Harmonie sowohl auf zwischenmenschlicher Ebene als auch tief in einem selbst. Ein solcher Weg führt zu Freude und Fülle in Familie und Gemeinschaft.
Die Bedeutung von Ahimsa wird mir immer dann besonders offenbar, wenn ich esse, was meine Mutter mir gibt. Auch jetzt, wenn ich das esse, was mir meine Mutter aus ihren Händen reicht, überkommt mich ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit. Tatsächlich stellt die alte Tradition, Essen mit den Händen zu sich zu nehmen, eine Praxis der Gewaltlosigkeit dar, die sich von den Mudras (Fingerhaltungen) ableitet. Wenn wir also unsere Fingerspitzen zusammenbringen, um so Essen aufzunehmen, stimuliert das die fünf Elemente und regt Agni bzw. die Verdauungsenergie dazu an, die Verdauung in Gang zu bringen. Jeder Finger ist eine Verlängerung eines der fünf Elemente und dient dazu, das Essen zu transformieren, bevor der Körper es verdaut.
Die hohle Hand als Maßeinheit des Yoga
Im Yoga werden die Hände auch als Maßeinheit für all unsere Bedürfnisse bezeichnet. Sogar die Abstände zwischen den Gelenken eines jeden Fingers dienen als Maßeinheiten, vom Universum kreiert, um ein Maß für Gewürze, Kräuter etc. zu haben. Im Ayurveda zum Beispiel bezieht sich der Begriff „Anjali“ auf die Menge, die in den beiden hohlen, aneinandergelegten Händen gehalten werden kann. Der spirituelle Lehrer Gurudev Sri Sri Ravi Shankar sagt oft, dass das Maß für die richtige Menge an Essen pro Mahlzeit das ist, was die beiden aneinandergelegten hohlen Hände fassen können. Folgt man diesem Rat, ernährt man sich gesund.
Die Yogaprinzipien Asteya und Aparigraha
Essen bzw. die Ernährung stehen in enger Verbindung mit allen Yoga Yamas, also den universellen Prinzipien des Yoga. So haben wir es oben bei Ahimsa, der Gewaltlosigkeit, gesehen. Gleiches gilt für die Konzepte des Asteya (des „Nicht-Stehlens“ weder auf körperlicher noch auf geistiger Ebene) und des Aparigraha (dem Verzicht darauf, unnötig Dinge anzuhäufen). Setzt man dies in Bezug zum Thema „gesunde Ernährung“, kann man sagen, dass der Konsum von Junk-Food, nicht-vegetarischem Essen oder ein übermäßiger Essenskonsum dem Körper die Gesundheit stehlen. Gleichermaßen gilt, dass jemand, der nicht gierig ist, sprich immer die richtige Menge an gesundem Essen zu sich nimmt und sich dabei Zeit lässt, auch mit einem gelassenen Geist und Körper in der Welt aktiv sein kann. Sein Denkapparat funktioniert besser, er ist agiler und handelt mit klarerem Bewusstsein.
Es scheint also so zu sein, dass das „Yoga der gesunden Ernährung“ auch über die Grenzen des Essens selbst hinausgeht. Es geht um Verhaltensregeln, darum, wie man sich durch gesunde Ernährung nicht nur körperlich, sondern auch geistig und seelisch gesund erhält. Für mich ist gesunde Ernährung ganz einfach ein Akt der Liebe, und in der Liebe können wir gar nicht anders, als das Selbst zu nähren. Khichdi gefällig?
(Text im englischen Original von Babeeta Chhabra, Kanada. Babeeta ist Sri-Sri-Yoga-Lehrerin und unterrichtet außerdem das Sri-Sri-Natya-Programm.)