Es ist kurz nach fünf Uhr morgens, meine tägliche Yogapraxis beginnt. Mein rechtes Bein schwingt sich nach vorn, der rechte Fuß gibt die Richtung an: geradeaus. Mein linkes Bein strecke ich nach hinten aus, ich stehe fest auf dem Boden. Ich atme ein und hebe meine Arme, um sie dann langsam nach beiden Seiten hin zu dehnen. Ich blicke über meine rechte Hand hinweg, alle Finger sind gestreckt und zeigen auf Höhe der rechten Schulter in den Raum. Das ist Veerabhadrasana oder die fortgeschrittene Yogaübung (Asana) des Kriegers. Ich fühle mich gut.
Yoga ist nicht nur eine Körperübung. Es ist ein Lebensgefühl. Ein Weg, in Harmonie mit sich und anderen zu leben. So auch mit dem eigenen Partner. Denn Yoga hilft, auch die eigene Beziehung zu stärken.
Eins werden mit der Asana
Eine Beziehung ist wie eine Asana. Am Anfang einer Beziehung ist die Welt rosarot. Die Augen funkeln wie tausend Sterne, und man fühlt sich wie der Held auf der Kinoleinwand, der gerade die Welt von einem großen Übel befreit hat. Das Sonnenlicht wird in der Fantasie zur warmen Umarmung des Geliebten, Regen fühlt sich an wie zu Tropfen geronnenes Glück. Ebenso ist es mit den Yogaübungen: Am Anfang scheint alles leicht, doch es gilt, die Asana zu halten, auch wenn es dazu ein wenig Überwindung bedarf.
Natürlich gibt es zur Yogaübung des Kriegers auch eine Geschichte. Wie es in dem großen indischen Epos, der Mahabharata, heißt, war Shakti, die Geliebte von Lord Shiva, die Tochter seines Feindes Daksha. Shaktis Vater lehnte die Hochzeit der beiden strikt ab. Vor lauter Kummer nahm Shakti sich das Leben. So geschah es, dass aus einer Locke Shivas, die zu Boden fiel, als er den Tod seiner Frau rächte, der Krieger Virabhadra geboren wurde.
Yoga erleichtert die Kommunikation
In diesem Augenblick voller Energie muss Lord Shiva wohl Yoga gemacht haben. Ebenso wie Yogaübungen den Körper stärken und ihm Kraft und Energie verleihen, helfen auch yogische Atemtechniken dabei, partnerschaftliche Beziehungen zu stärken. Eine solche Technik nennt sich ganz einfach der „Hmmm-Laut“. Dieser Laut beruhigt den Geist sofort, was sich gerade in angespannten Situationen positiv auf die Beziehung auswirkt. Um den Laut auszuführen, ist es am besten, sich in eine ruhige Ecke zurückzuziehen. Sagen Sie ein paarmal hintereinander laut „hmmm“, ohne dabei den Mund zu öffnen. Wiederholen Sie den Prozess so lange, bis Ihre Anspannung nachlässt.
Yoga öffnet den Zugang zu Gefühlen
Beim Yoga wie bei den Gefühlen, und also auch der Liebe, geht es darum, loszulassen und Dinge geschehen zu lassen. Gelingt einem das, dann spricht man von einem positiv gestimmten Geist. Diese positive Haltung schafft die Grundlage für gelingende Kommunikation und damit auch für eine gute Beziehung. Ist die Grundhaltung zu sich und zum anderen positiv, kann man los- und Gefühle zulassen, dann ist es leicht, dem anderen den nötigen Freiraum zu geben. Dieses „Ja“ zu den Gefühlen, zur Liebe und zum Partner schließt auch die „Fehler“ und „Schwächen“ des Partners mit ein ebenso wie Erwartungen, von denen man nichts ahnte. Spiritualität und yogische Techniken helfen dabei, sich selbst, seine Bedürfnisse und andere bewusster wahrzunehmen und so auch die eigene Beziehung zu stärken. Der „Krieger“ erwacht und hält die Stellung, was auch kommen mag.
Das Gleichgewicht wiederfinden
Wenn ich lange am Computer gesessen habe, schmerzt mich in der Kriegerposition manchmal der Rücken. Unbehagen macht sich breit, und ich schließe meine Augen. „Atme“, sage ich zu mir selbst, und ich mache weiter Yoga. Ich werde zum Beobachter des unangenehmen Gefühls. Plötzlich fühlt sich alles nicht mehr gut an, irgendetwas stimmt nicht. Ich verliere das Gleichgewicht. Ich nehme ein paar tiefe Atemzüge und nehme mir vor, das Unbehagen weiter zu beobachten. Nach einigem Hin- und Herschwanken komme ich wieder zurück in die Position. Ich habe die Balance wiedergefunden.
Ob es nun eine Yogaübung ist oder eine Beziehung. Beide Prozesse als Beobachter zu begleiten, braucht Vertrauen und Stärke. Manchmal muss man sich eben anpassen. Das ist in der Beziehung so, ebenso beim Yoga. Manchmal muss ich zusätzlichen Raum zwischen meinen Schultern schaffen. Das bedeutet, dass ich den Körper hier leicht anpassen muss und dort die Schulter etwas herunternehmen. Dabei beobachte ich meinen Atem. Es ist bisweilen unbequem, aber es sind meine Schultern, und ohne dass ich mich anpasse, passiert gar nichts.
Yoga und Zweifel
Ob beim Yoga oder in einer Beziehung, es kommen immer Zweifel auf, wenn etwas Unerwartetes oder Enttäuschendes passiert. Hier sagt der spirituelle Lehrer Gurudev Sri Sri Ravi Shankar, dass auch der Zweifel etwas Positives sein kann. Er erklärt: „Wenn Ihnen jemand sagt, dass er sie liebt, antworten Sie 'wirklich?' Wenn Ihnen jemand jedoch zu verstehen gibt, dass er Sie hasst, dann nehmen Sie das als gegeben hin. Wenn Sie jemand fragt, ob Sie glücklich sind, antworten Sie „ich bin mir nicht sicher.“ Wir zweifeln an der Liebe. Ihre Depressionen jedoch zweifeln Sie niemals an, während Sie das mit dem Glücklich-Sein sehr wohl tun. Zweifel herrscht also immer dann, wenn es um etwas Positives geht.“
Und er fügt hinzu: „In einer Beziehung gibt es zwei Geheimnisse, eines für Männer und eines für Frauen. Frauen sollten immer das Ego der Männer polieren. Ist er müde oder wird er überall angegriffen, dann ist der einzige Ort, an dem er Trost findet, dort, wo seine Frau ist. Sie sollte ihn zu 100 Prozent unterstützen. Für Männer gilt, dass sie niemals auf den Gefühlen einer Frau herumtrampeln sollten. Sagen Sie nie etwas Schlechtes über ihre Familie, ihre Kindheit, ihre Vergangenheit oder ihre Hobbys. Bleiben Sie einfach ruhig und lächeln Sie.“
Sich Zeit geben
Auch wenn man in einer Beziehung ist, ist es manchmal wichtig, allein zu sein und sich Auszeiten zu nehmen. Gurudev Sri Sri Ravi Shankar sagt dazu: „Damit die Liebe auch weiter blühen kann, bedarf es der Sehnsucht. Und Sehnsucht braucht Abstand. Wenn es auch weh tut, so ist die Sehnsucht doch unvermeidlich. Geben Sie der Sehnsucht keinen Raum, dann wächst die Liebe nicht. Geben Sie ihr und sich selbst den Raum.“
Auch um mit sich selbst eins zu werden, bedarf es Zeit. Yoga ist hier eine wunderbare Hilfe. Bei den Yogaübungen schenkt man diese Zeit seinem Körper, manchmal achtet man dabei mehr auf die Hände, dann wieder mehr auf die Füße etc. So wie ich in der Position des Kriegers. Dabei auf den Atem zu achten, heißt, Körper und Geist miteinander in Einklang zu bringen. In der Meditation wiederum, die sich an die Yogaübungen anschließt, finden wir den Raum ins uns, der uns tiefe Entspannung verschafft. Ebenso wie wir eben den Freiraum im täglichen Leben brauchen, um unsere Beziehung zu stärken.
Alles verändert sich
Im Laufe der Zeit verändern sich die Erwartungen und Einstellungen in einer Beziehung. Praktizieren Sie regelmäßig Yoga und Meditation stärkt das die Beziehung. Da wir so insgesamt ruhiger und gelassener werden, lernen wir auch, besser zu kommunizieren, geduldiger und nachgiebiger zu sein. Immer wieder wechseln schöne und weniger schöne Momente einander ab. Auch eine Beziehung bedarf der Arbeit, um sie zu stärken. Das Gleiche gilt für die Yogapraxis: Sind Sie mit Engagement bei der Sache, dann halten Sie die Übung, auch wenn Sie mal schwanken sollten.
Auch Lord Shiva war Zeuge dieses Zyklus der Veränderung. Seine geliebte Shakti kehrte schließlich zu ihm zurück, und zwar als Parvati im nächsten Leben.
Regelmäßig Yoga zu machen, schult Körper und Geist und ist gut für die Gesundheit. Yoga ist jedoch kein Ersatz für Medizin. Es ist wichtig, Yogaübungen unter der Anleitung eines ausgebildeten Sri-Sri-Yogalehrers zu lernen. Bei Beschwerden oder Krankheit machen Sie Yoga gemäß dem Rat Ihres Arztes und eines Sri-Sri-Yogalehrers. Sri-Sri- Yogakurse können Sie in jedem Art-of-Living-Zentrum in Ihrer Nähe besuchen. Benötigen Sie Kursinformationen oder wollen Sie Feedback geben? Schreiben Sie uns gerne an: kontakt@artofliving.org.