(Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus Gurudev Sri Sri Ravi Shankars Kommentaren zu den Patanjali Yoga Sutras.)
Es war einmal ein sehr beliebter Mönch, der im Himalaya lebte. Er hatte überall freien Zugang, weil die Menschen ihn liebten und willkommen hießen. Dieser Mönch ging regelmäßig in den Palast des Königs, um dort zu Mittag zu essen. Die Königin servierte ihm das Essen auf einem goldenen Teller samt Goldlöffel und so weiter. Er kam einfach, aß und ging wieder. Das war seine Routine. Einmal schnappte er sich nach dem Essen einen silbernen Becher und einen goldenen Löffel und nahm sie mit sich. Er sagte keinem: „Ich nehme das mit, ich will das“, oder so ähnlich. Die Leute im Palast waren irritiert. Sie dachten: „Er nimmt nie etwas mit. Was ist heute bloß los? Und das, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Er ließ die Dinge einfach in seiner Tasche verschwinden und ging.“ Drei Tage später brachte er Becher und Löffel zurück. Das war noch verwunderlicher. Zuvor dachten sie, er würde die Dinge vielleicht brauchen, deshalb hatte er sie genommen. Doch er kam und brachte sie zurück. Alle waren noch erstaunter als zuvor.
Die Yoga Sutras des Patanjali
So rief der König alle Weisen zusammen und befragte sie: „Warum ist das passiert? Warum hat er die Sachen genommen und sie wieder zurückgebracht?“ Die Weisen dachten nach und sagten schließlich: „O.k., findet heraus, was Ihr ihm zu Essen gegeben habt, als er vor zwei Tagen kam.“ Sie gingen der Sache nach. Sie fanden heraus, dass das Essen, das sie ihm gegeben hatten, von Dieben konfisziert worden war. Ein paar Räuber waren einige Tage zuvor gefangen genommen worden und bei ihnen fand man gestohlenes Getreide. Dieses war als Essen für den Heiligen zubereitet worden. Das wiederum hatte ihn dazu veranlasst, Becher und Löffel zu stehlen.
In alter Zeit sahen sich die Menschen die Dinge genauer an. Tat jemand etwas Ungewöhnliches, dann gingen sie der Sache auf die Spur. Sie fragten sich, warum es passiert war. Statt darüber zu diskutieren, dass dieser Mönch gestohlen hatte, fragten sie, was den Mönch dazu veranlasst hatte zu stehlen. Sie fragten nach dem Essen, wer es zubereitet hatte und was damit nicht in Ordnung war. Und was passierte? Sie beschäftigten sich mit diesen Details und fanden die Ursache heraus: „Oh, das ist der Grund. Das ist die Antwort.“
Tasya heturavidya (Sutra 24)
tasya = sein; hetuhu = Ursache; avidya = Unwissen
Zu glauben, dass die Ursache Du selbst bist, ist Unwissen.
Wenn Du glaubst, dass die Ursache Du selbst bist, dann ist das Unwissen. Wie kann man die Unwissenheit ablegen? Durch ein klares Verständnis im Geist, dass „mein Körper sich ständig verändert. Dass die Welt sich ständig verändert.“ Das ganze Universum ist flüssig, in flüssigem Zustand. Es ist voller Veränderung, und das geht immer so weiter, ganz von selbst, gemäß seiner Natur. Das klare Verständnis davon, dass „ich nicht der Körper bin, dass ich das Selbst bin. Ich bin das Selbst. Ich bin unvergänglich, unberührt, ungezähmt von der Welt um mich herum. Dieser Körper ist völlig hohl und leer. Er verändert und verändert sich. Jedes Teilchen dieses Körpers verändert sich ohne Unterlass. Der Geist verändert sich.“ Dieses klare Verständnis ist der Weg, um aus dem Kreislauf auszubrechen.
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