Gurudev, morgen feiern wir in Amerika Muttertag. Du hast gesagt, deine Mutter sei deine erste spirituelle Lehrerin gewesen. Kannst du etwas über die spirituellen Werte der Mutterschaft sagen und uns vielleicht eine Geschichte über deine eigene Mutter erzählen?
Gurudev Sri Sri Ravi Shankar:
Die Mutter ist deine erste Verbindung mit der manifesten Welt. Du bist durch deine Mutter auf diese Welt gekommen und natürlich auch durch deinen Vater. Mutterschaft ist in jedem von uns vorhanden. Mutterschaft bedeutet, das Beste für andere zu wollen und keine Gegenleistung dafür zu erwarten. Jede Mutter wünscht sich das Beste für ihre Kinder. Manchmal können die Kinder das nicht erkennen.
Es gibt einen Vers auf Sanskrit, der von Adi Shankara stammt: "Schlechte Söhne werden geboren, eine schlechte Mutter wurde jedoch noch niemals geboren!"
Da gibt es so eine bestimmte Art von Süße bei einer Mutter, die bewirkt, dass wir alles annehmen können, was sie sagt.
Meine Mutter war eine Perfektionistin. Was ich auch tat, sie war immer der Meinung, ich hätte es nicht gut genug getan und hätte es noch besser tun können.
In ihrem ganzen Leben entschuldigte sie sich niemals bei irgendjemandem. Könnt ihr euch das vorstellen? Sie war immer sehr gründlich und aufmerksam bei allem, was sie tat. Sie bereute nichts und tat nichts, was sie später bereuen müsste. Gleichzeitig war sie auch sehr scharfsinnig. Da gab es also diese eine Frau, die immer der Meinung war, ich hätte es besser machen können. Sie dachte, ich sei nicht in der Lage, einen Ashram zu führen.
Gewöhnlich sage ich während meiner Vorträge, dass ihr alle eure Probleme hier im Ashram zurücklassen solltet. Es gab einmal eine Anhängerin im Bangalore Ashram, die fragte, ob sie ihre Schwiegermutter im Ashram lassen könnte, da sie ihr größes Problem wäre.
Ich antwortete: "Lass mich zuerst deine Schwiegermutter fragen, welches ihr größtes Problem ist."
Dann fragte ich sie: "Gab es auch oft Zeiten des Konflikts mit deiner eigenen Mutter?"
Sie antwortete: "Ja, sie fand immer etwas an mir, das nicht in Ordnung war."
Mütter finden Fehler bei ihren Töchtern, und sie streiten sich oft, aber sie nehmen es sich nicht zu Herzen. Wenn deine Mutter mit dir schimpft, nimmst du es dir nicht wirklich zu Herzen. Sagt deine Schwiegermutter aber nur einen Zehntel davon, dann trifft es dich tief in deinem Herzen, nicht wahr?
Nachdem die junge Frau das gehört hatte, meinte sie: " Oh, ja, so habe ich es noch nie betrachtet!"
Ich sagte: "Schau, sie gehören derselben Generation an. Warum reagierst du anders, als du es bei deiner Mutter tust, wenn deine Schwiegermutter etwas nicht gut an dir findet?"
Diese eine Einsicht hat viele Familien gerettet. Die Veränderung der Sichtweise macht schon einen großen Unterschied. Dieselben Muster bei Müttern und Schwiegermüttern zu erkennen, hilft der Schwiegertochter, alles viel leichter zu nehmen. Sie kann viel besser mit ihren Schwiegereltern umgehen. Wir sollten nicht nur den Muttertag, sondern auch den Schwiegermuttertag feiern.
Im Jahr 2011 sah ich, dass es sogar einen Welttoilettentag gibt! Einen Welttoilettentag, aber keinen Yogatag! Das musste sich ändern!
Nun wurde der 21. Juni zum Weltyogatag erklärt. Das hat zum Ziel, die Aufmerksamkeit auf Yoga zu richten, und die Menschen ein wenig dafür zu sensibilisieren. Ich bin glücklich darüber, dass Yoga nun nach langer Zeit seinen Platz gefunden hat, und 177 Länder der Welt den Weltyogatag unterstützen.
Viele Menschen glauben, es gebe einen nicht manifestierten Teil unseres physischen Selbst. Kannst du bitte darüber sprechen?
Gurudev Sri Sri Ravi Shankar:
Das stimmt. Es gibt einen physischen Körper und einen Kausalköper, der viel größer ist. Was empfindest du, wenn du glücklich bist? Du dehnst dich aus. Etwas in dir dehnt sich aus, und wenn diese Ausdehnung sattfindet, fühlst du dich glücklich. Zieht sich dieses Etwas jedoch zusammen, dann fühlst du dich frustriert.
Was geschieht, wenn du dich aufregst oder unzufrieden bist? Es gibt etwas is dir, das sich zusammenzieht. Dieses Etwas, das sich ausdehnt und zusammenzieht, ist nicht-physich, oder anders gesagt, ätherisch. Das ist eine deutliche Erfahrung, die jedermann kennt. Niemand kann sie bestreiten.
Gurudev, wie geht man mit einem Familienmitglied um, das steif und bitter geworden ist?
Gurudev Sri Sri Ravi Shankar:
Behandle die Person mit viel Geduld und Mitgefühl. Sie geht möglicherweise gerade durch schwierige Dinge hindurch. Gib nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf das, was sie sagt, und sage auch du nicht viel. Beantworte alles, was sie sagt, mit einem Lächeln. Gib ihr den Raum, um Ruhe zu finden und sich von dem zu befreien, was sie beeinträchtigt.
Falls es mögich ist, solltest du sie langsam zur Meditation bringen. Wenn du es nicht selbst tun kannst, kann es auch durch jemanden geschehen, dem sie vertraut. Sorge dafür, dass sie meditiert und sich Wissen anhört.
Kannst du den Hauptunterschied zwischen Meditation und Gebet aufzeigen? Ist eines der beiden besser als das andere?
Gurudev Sri Sri Ravi Shankar:
Gebet bedeutet, Gott zu bitten: "Gott, gib mit das!", oder zu sagen: "Ich danke dir dafür, dass du mir das gegeben hast, Gott! Du hast mir Wasser gegeben. Ich danke dir! Du hast mir Nahrung gegeben. Ich danke dir! Du hast mir Vergnügen, Freude und Zufriedenheit gegeben. Ich danke dir!"
Im Gebet dankst du Gott für irgendetwas oder bittest ihn um irgendetwas. Meditation sagt aus: "Ich bin da für dich. Was möchtest du mir mitteilen?" Meditation hat mit Zuhören zu tun. Gebet muss in Meditation gipfeln. Tut es das nicht, so hat es sein Ziel verfehlt.
Was ist deine Meinung über Astrologie und das Universum?
Gurudev Sri Sri Ravi Shankar:
Astrologie ist das Studium der Verbindung zwischen Makro- und Mikrokosmos. Alles im Universum ist miteinander verbunden. Astrologie ist jedoch kein Fatalismus. Es geht um Wahrscheinlichkeiten. Die Astrogie bietet dir einen Plan oder eine Vorstellung darüber, wie die Dinge sein könnten.
Genauso, wie es viele Autobahnausfahrten gibt, bleibt dir oft eine eigene Wahl. Würdest du ein Bild vom Himmel aus aufnehmen, so könntest du die ganze Autobahn sehen und viele mögliche Ausfahrten, die von den Autos benutzt werden könnten. Sie haben also diese Wahl.
Das Leben ist eine Kombination aus freiem Willen und Schicksal. Es gibt nicht nur den freien Willen oder das Schicksal, und Astrologie ist eine Möglichkeit, etwas darüber zu erfahren. Viel wichtiger sind jedoch die Auswirkungen deiner Übungen. Deine Meditation, dein Mitgefühl, deine Arbeit und deine Haltung können die Dinge verändern.